Am 16. Oktober 1926 wurde der Schachklub Wiesloch aus der Taufe gehoben.
Es war im Nebenzimmer der Brauerei Hummel, dem heutigen Hotel Adler.
Das königliche Spiel hatte seinerzeit schon viele Freunde in Wiesloch,
so daß immerhin etwa 25 Schachbegeisterte den Verein gründeten. Es waren
dies unter anderen Georg Gaberdiel (Direktor i. R. der Bezirkssparkasse Wiesloch),
Fritz Schwartz, Emil Gaberdiel, Georg Blechner-Landes, Direktor Knopf von der Bad.
Bauernbank, Karl Boch, Gewerbelehrer Rieble, Max Dannheimer sen., Dr. Bähr, Zahnarzt,
Hermann Rosenthal, Alfred Marschall, Wenzel Herget, Ernst Schmidt und Nikolaus Thome.
Zum 1. Vorsitzenden wurde Direktor Knopf, zum Stellvertreter Emil Gaberdiel
und als Kassierer Max Dannheimer gewählt. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf monatlich
fünfzig Pfennig festgesetzt, galt es doch Schachspiele und Bretter usw. anzuschaffen.
Übrigens war fünfzig Pfennig Beitrag gar nicht gering; konnte man doch damals dafür
13 Brötchen kaufen, oder 2 Viertel Wein trinken und mancher Arbeitslose mußte
seinerzeit mit sechs Reichsmark Stempelgeld, also einem Jahresbeitrag in unserem
Verein, eine Woche auskommen.
Schon bald entwickelte sich ein reges schachsportliches Leben und das Klublokal
wurde schnell zu klein. Man siedelte nach 2 Jahren um in das Cafe Holfelder jetzt
Cafe Stoll. Neue Schachfreunde kamen hinzu: Karl Böhli, ein guter und ehrgeiziger
Spieler. Ich erinnere mich noch gut, wie er mir 1931 die Klubmeisterschaft
vermasselte und Fritz Schwartz Meister wurde. Hans Kramer (Sohn der in diesen
Wochen hundertjährig verstorbenen Frau Katharina Kramer) war ein sehr Aktiver
und Gönner unseres Vereins. Josef Geffner, Kaufmann, wanderte 1935 nach Palestina
aus. Die Pfleger Heil, Streule, Kimmling wurden von Nikolaus Thome 1930/31
in den Schachklub eingeführt. Es waren sehr eifrige Spieler, die kaum einen
Spielabend versäumten.
Überhaupt verdient Nikolaus Thome besondere Erwähnung. Mit 84 Jahren ist er
nicht nur der älteste und eifrigste Schachspieler von Wiesloch, sondern auch
ein Schachoriginal seltener Art. Seine derb-herzlichen Kommentare: "Hier hinaus
geht der Nikolaus" u. a. sind vielbelachte Bestandteile der Schachabende.
Mit dieser Methode hat er schon manchen Spieler verblüfft und aufs Kreuz gelegt.
Im Eifer des Gefechts kann es dann vorkommen, daß das Pferd einen "Bocksprung"
und der Läufer einen "Rösselsprung" macht. Es soll auch schon vorgekommen sein,
daß eine geschlagene Figur, sofern diese nur knapp am Spielrand abgestellt war,
plötzlich wieder am Spielgeschehen teilnahm. Wie dem auch sei: Alle Schachfreunde
haben Nikolaus Thome ins Herz geschlossen, denn er hat sich um den Verein sehr
verdient gemacht.
Im Jahre 1930 übernahm Emil Gaberdiel den Vorsitz des Schachklubs
und unter seiner Leitung nahm der Verein einen grossen Aufschwung. Wir
zogen um in die Brauerei Zorn. Oftmals war das Nebenzimmer überfüllt
und manche Spieler mußten in den Gastraum ausweichen. Die Schachspiele
reichten oft nicht aus. Neue Schachfreunde kamen hinzu: Tierarzt Dr. Rau,
Alfred Pfeffer, Walter Kraft Kaufmann, Willi Blum, Dr. Hans Wacker,
nicht zu vergessen Friedrich Schäfer, Lehrer aus Schatthausen (er ehelichte
Irma Zorn).
In jener Zeit wurde viel getan, um der Jugend das Schachspiel beizubringen.
Es wurde ein Demonstrationsbrett angeschafft und ich wurde beauftragt Lehrgänge
in der Schillerschule abzuhalten. Der Erfolg blieb
nicht aus. Zahlreiche Interessierte, darunter auch Damen, erlernten die
Grundzüge des Schachspiels. Unter ihnen befand sich Heinrich Löchner,
heute Bankvorstand; ihn faszinierte das königliche Spiel schon mit 15 Jahren.
Später errang er mehrfach die Klub- und Stadtmeisterschaft und heute
noch zählt Heiner Löchner innerhalb der 1. Mannschaft zu den Besten.
Vor Jahren spielte der Schachklub Wiesloch in Kirchheim und da sagte
mir ein dortiger Aktiver: "Herr Feurer kennen Sie mich noch ? Sie haben
mir 1931 das Schachspielen beigebracht, als ich Friseurlehrling bei
Fritz Hock (jetzt Friseur Zuber) war" Es war Karl Förster.
Gute Schachspieler aus jenen Lehrgängen wurden Jörg Pfeffer jetzt
Eppingen und Karl Heid aus Nussloch. Es würde den Rahmen dieser Chronik
sprengen, wollte ich noch weitere Namen aufzählen, die in jenen Jahren
zum Schachspiel fanden und auch heute noch gefesselt sind.
Von 1940 bis 1946 ruhte der Spielbetrieb kriegsbedingt, vollständig.
Emil Gaberdiel, Fritz Schwartz, Heiner Löchner und Michael Bauder
waren nun die Männer der ersten Stunde im Jahre 1947, die nach hartnäckigem
Kampf die Lizenz von der Militärregierung bzw. Amtsgericht Wiesloch
erhielten und mit ihrem Namen Bürgen waren, das tatsächlich " n u r "
Schach gespielt wurde. 1. Vorsitzender wurde wieder Emil Gaberdiel und
bald entwickelte sich ein reger Spielbetrieb im "Dreikönig" (Radio Holl).
Es war sehr bitter in diesen Nachkriegsjahren liebenswerte Schachfreunde der
30-iger Jahre zu vermissen. Der Moloch Krieg hat auch bei den Schachfreunden
seinen Tribut gefordert.
Neue Gesichter und neue Freunde des Schachspiels fanden sich im Klublokal ein.
Diese belebten das schachsportliche Leben ganz enorm insbesondere was das
spielerische Niveau betrifft. Hier verdient Othmar Hlawatsch besondere Erwähnung.
Er war in den
ersten Nachkriegsjahren unumstrittener Meister und verfügte vor allen
Dingen über viel theoretische Kenntnisse. - Auch Kurt Lischke war ein
wertvoller Zugang des Klubs; er war theoretisch sehr beschlagen, brachte
es auch zum Stadtmeister, spielte im Seniorenturnier mit internationaler
Besetzung und kam dort wiederholt zu Meisterehren. Kurt Lischke leistete
eine immense Vereinsarbeit. Noch heute hat Lischke einen guten Platz in
der ersten Mannschaft und man höre und staune: Er wird am 13. Sept. 1976
85 Jahre alt !
Anläßlich des 25-jährigen Bestehens des Schachklubs wurde der bekannte
Schachgrossmeister BOGOLJUBOW zu einer Simultanvorstellung verpflichtet.
Im Simultanspiel hat ein Spieler in verschiedenen Partien mehrere Spieler
gegenüber - eine ganz großartige Leistung.
1954 endete die Ära Gaberdiel, nachdem der langjährige, verdiente
Vorsitzende sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zur Verfügung stellte.
In der damaligen Generalversammlung übergab er die Vereinsführung an
Dr. Hans MALETON. Die Versammlung ernannte Emil Gaberdiel auf
Vorschlag des neuen Vorsitzenden einstimmig zum Ehrenvorsitzenden des
Vereins.
In der folgenden Zeit nahm der Schachklub in der Spitze und in der Breite
eine bisher nicht gekannte Aufwärtsentwicklung. Die erste Mannschaft besaß
eine in der badischen Schachregion gefürchtete Spielstärke. Säulen des
Teams waren die Spieler Othmar Hlawatsch, Fritz Feurer, Willi Freitag,
Heiner Löchner, Alfred Lazar jun., Ernst Kreischer, Werner Menges und
Dr. Hans Maleton. Damals hatten wir ein Spielerreservoir von nahezu
40 Aktiven, die in mehreren Mannschaften gemeldet waren. Zu diesen
gehörten Hans Trawnik sen. und jun., Karl Böhli, Winfried Bös, Kurt
Lischke, Ernst Lindenmayer, Alfred Lazar sen., Rudi Hauser, Rudi Dangel,
Emil Ritzhaupt, Joachim Siemers, Josef Fentzl, Hans Kramer, Erhard Pieper
Paul Scheibe, Nikolaus Thome, Joachim Maennchen, Emil Gaberdiel, Franz
Grün, Kurt Flühr, Willi Blum, Emil Baumann, Joachim Baurat, W. Bitterhoff,
Heinz Vonthron, Karl Danzer, Arthur Tyroller und Familie, C. Navarro.
Höhepunkte des Schachlebens waren Gast-Simultanvorstellungen der
Internationalen Schachgrossmeister Wolfgang UNZICKER, München 1956,
und Dr. Lothar SCHMID, Bamberg 1961. Anlaß hierzu war das 35- bzw. 40-
jährliche Vereinsjubiläum.
Frischer Wind brachte Mitte der sechziger Jahre die Tatsache, daß die
Wieslocher Jugend sich zunehmend für das königliche Spiel interessierte.
Unter Leitung des Klubmitglieds Harald Hache bildete sich schnell eine
spielstarke Jugendgruppe, die nach und nach in den Kreis der Aktiven
hineinwuchs. In diesem Zusammenhang gebühren besonders die Namen der
Brüder Theodor und Magnus Schleich und von Rainer Rühl erwähnt zu
werden. Die Brüder Schleich waren auf Grund ihres theoretischen Wissens
der Eröffnungsspiele den übrigen Aktiven überlegen. Sie besetzten in den
sechziger Jahren häufig die beiden Spitzenbretter und heimsten Erfolg bei
den Meisterschaften des Vereins ein.
Als bisheriger Glanzpunkt in der Geschichte des Vereins ist das Jahr
1966 zu nennen. Dem Schachklub wurde die hohe Ehre zuteil, den Badischen
Schachkongress ausrichten zu dürfen. Über eine Woche hinweg
maßen die besten Spieler Badens in verschiedenen Turnieren in der Aula
der Berufsschule ihre Kräfte. Unter Mithilfe sämtlicher Mitglieder wurde
der Kongreß zu einem schönen Erfolg, für den Verein zu einer großartigen
Demonstration unseres Schachsports und zu einer beachtlichen Werbung
für unsere Weinstadt.
Die genannten Erfolge wären einfach nicht vorstellbar ohne den unermüd-
lichen Vorsitzenden Dr. Maleton, unseren "Doktor".
Viel zu früh hat er uns im Oktober 1972 verlassen.
Damit war eine große Zeit des Wieslocher Schachklubs beendet.
Und so gings weiter ...
Nach dem Tod des langjährigen Vorsitzenden Dr. Hans Maleton im
Oktober 1972 übernahm Fritz FEURER dessen Nachfolge. Mit einer
Delegation alter Schachkameraden fuhr er damals nach Dahlsheim in
die Pfalz und würdigte am Grabe seines Vorgängers dessen Verdienste
um den Verein. Fritz Feurer war es auch, der zur Ehre des verdienten
Vereinsführers das "DR. MALETON-GEDÄCHTNISTURNIER" ins Leben
rief.
1973, im Jahr darauf, übernahm dann Dieter KLARE den Schachklub-Vorsitz.
Während seiner Amtszeit wurden die freundschaftlichen Schachbeziehungen
nach Fontenay-aux-Roses geknüpft. Die Drei-Tage-Reise
in die französische Partnerstadt Wieslochs, unmittelbar bei Paris, wird
vielen Wieslocher Schachfreunden noch jahrelang in Erinnerung bleiben.
Seit 1975 führt Robert HÖFLING den Verein. Erfreulich ist, daß
gerade im Jubiläumsjahr seit Jahren wieder eine Mannschaft des Schachklub
1926 Wiesloch einen Aufstieg in der Verbandsrunde schaffte. Als weiterer
sportlicher Erfolg darf auch die Vizekreismeisterschaft der Jugend in der
Mannschaftswertung gewertet werden. Gut untergebracht ist der Schachverein
inzwischen auch. Jeder fühlt sich wohl in den hübschen Nebenräumen
des "Hotel Pfalz", wo man von Frau Lydia Maler mit Ihren beiden Töchtern
nebst den immer freundlichen Bedienungen bewirtet wird. Ebenso hat die
Schachjugend ein neues Domizil, nach dem Abriß der Realschule, in den
Kellerräumen des Wieslocher Kulturhauses gefunden. Erstmals haben sich
im Jubeljahr vier Mannschaften an den Verbandsspielen beteiligt.
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schachzukunft sind da.
Auch Nachwuchssorgen braucht man keine zu haben. Die Zukunft wird
zeigen, wie der Verein seine Chancen nutzt.